Harte Rose in kräftigen Händen 
        Die Schmiede ,Kortsch' in Uljanowsk 
          erschafft Kunstwerke aus Eisen und hofft auf einen Eintrag in das "Guiness 
          Buch  
          der Rekorde"  
         
          Die Gründung der Schmiede  
           
          1986 gründeten Alexander Romanow und Ivan Monastyrskij in Uljanowsk 
          die Schmiede ‚Kortsch'. Der Ursprung des Wortes ‚Kortsch' liegt bei 
          dem altslawischen Wort ‚kortschit', das biegen, beziehungsweise verändern 
          bedeutete. Davon leitete sich das Wort Kortschij ab, der alte Ausdruck 
          für Schmied. Alexander und Ivan haben in Pawlowo an der Oka (Gebiet 
          Gorkij) die Fachschule für Kunstschmiederei absolviert. Sie suchten 
          nach ihrem Abschluß eine Arbeit und eine Wohnung.  
        In Uljanowsk wurde zu dieser Zeit der Industriekomplex 
          Aviastar ausgebaut. Man suchte Fachleute und die beiden Freunde folgten 
          der Aufforderung. Sie wollten allerdings etwas Interessantes und Außergewöhnliches 
          machen und gründeten deswegen 1986 ihre eigene Kunstschmiede im Zentrum 
          von Uljanowsk.  
        Diese Initiative fiel in eine Zeit, in 
          der die Menschen müde wurden von der Eintönigkeit der sozialistischen 
          Kunst. Die Ideologie hatte der Kunst lange genug ihren eigenen Stempel 
          aufgedrückt, sagt Sweta, Angestellte in der Galerie der Schmiede. Die 
          Leute wollten etwas Neues, das von der alten Schablone abwich. Zusätzlich 
          entwickelten sich neue Techniken und Methoden in der Schmiederei. Beides 
          zusammen - das Verlangen der Menschen nach Neuem und die verbesserte 
          Technik - eröffnete neue Möglichkeiten, die alte Kunst zu erweitern. 
           
        Alexander und Ivan waren auch an der Gründung 
          des Verbandes der Schmiede Rußlands beteiligt. Zum 15. Jahrestag des 
          Bestehens der Schmiede kam der Präsident der Vereinigung Jurij Simin 
          zu ‚Kortsch'. Zu dieser Zeit wurde auch ein Freilichtmuseum im Hof der 
          Schmiede eingerichtet, das die Technik des Schmiedens seit dem 18. Jahrhundert 
          darstellt.  
        Die geschmiedeten Werke  
        Einerseits werden bei ‚Kortsch' Alltagsgegenstände 
          wie Kaminbesteck, kunstvolle Spiegelrahmen, Souvenire und Gestelle für 
          Sofas und Gartenbänke hergestellt. Andererseits aber auch Kunstgegenstände: 
          In Uljanowsk zum Beispiel eine Werbesäule neben dem Puppentheater, verzierte 
          Laternen und der Zaun der Zentralbank Rußlands. Dieser Zaun hat eine 
          Fläche von 400 qm, besteht aus 33 Baustücken und wurde in Handarbeit 
          erschaffen. Um eines der Baustücke aus der Schmiede zu tragen, waren 
          12 Helfer nötig. Die Bauzeit betrug drei Jahre.  
        Ein weiteres Beispiel: Ein Samowar, der 
          wie ein kleiner Teetisch aussieht. Am Tisch sitzt ein Bojar, der eine 
          Tasse in der Hand hält. Der Dampf aus dem Samowar bläst aus seinem Mund, 
          was so aussieht, als ob der Bojar kühlend auf den Tee in der Tasse pustet. 
           
        In St. Petersburg steht als Geschenk zum 
          300. Geburtstag der Metropole eine riesige Rose. Sie ist 3 m hoch und 
          wiegt über 5 t. Die Technik, mit der sie erschaffen wurde, ist einmalig: 
          Die Rose wurde aus einem einzigen Stück Metall geschmiedet. Sie wurde 
          im Ofen 40 Stunden erhitzt, bevor sie 16 Stunden lang bearbeitet wurde. 
          Alexander und Ivan träumen davon, mit diesem Werk in das "Guiness Buch 
          der Rekorde" aufgenommen zu werden und suchen finanzielle Unterstützung, 
          um diesen Traum zu verwirklichen.  
        Außerdem werden Kunstsäbel geschmiedet. 
          Dies geschieht entsprechend alter Traditionen. In Samara schmücken die 
          Haustür eines Geschäftsmannes zwei mittelalterliche Ritter.  
        Der Schmied setzt seinen signierenden Stempel 
          schon sehr früh auf das Werk, denn man kann nicht vorhersagen, wie das 
          Metall sich verhält, wenn es im Nachhinein erneut erhitzt wird. Der 
          Schmied garantiert den Erfolg seiner Arbeit also schon im Voraus und 
          muß deswegen ein Meister seines Handwerkes sein. Über einem Ofen in 
          der Schmiede steht das Sprichwort "Dem Schmied ist unwohl, wenn es in 
          der Schmiede leise ist."  
        Hochzeitsfeiern bei ‚Kortsch'  
        Alexander und Ivan geben sich aber nicht 
          mit dem Schmieden allein zufrieden. Zusätzlich werden bei ‚Kortsch' 
          Hochzeiten gefeiert. Im Beisein des Hochzeitspaares wird eine ‚Sonne' 
          geschmiedet, die dem Paar Glück bringen soll. Bei der ‚Sonne' handelt 
          es sich um eine Scheibe, in die die Namen des Paares eingraviert werden. 
          Die Sonne bleibt nach der Feier in der Schmiede. Der Sage nach bedeutet 
          das, daß die Schmiedemeister die Ehe beschützen. Offensichtlich erfolgreich: 
          Bis heute wurde keine der 13 bei ‚Kortsch' gefeierten Ehen geschieden. 
           
        "Die Kraft des Schmiedes ist im Kopf" 
           
        Nur viel Geduld und Phantasie machen diese 
          Arbeit möglich. Der Schmied sollte den ganzen Prozeß von Anfang bis 
          Ende im Kopf haben, sagt Alexander. Er erschafft viele Gegenstände zunächst 
          aus Plastilin, damit alle Arbeitsschritte sichtbar werden. Alexander: 
          "Die Kraft des Schmiedes ist nicht in den Muskeln, sondern im Kopf." 
           
        Die Schmiede ist einer der wenigen Orte, 
          an denen zwischen allen 4 Elementen (Eisen, Feuer, Wasser und Luft) 
          Einheit und Harmonie herrschen und sie alle zusammenarbeiten. Alexander 
          erzählt weiter, daß die Arbeit in der Schmiede hilft, den Charakter 
          eines Menschen zu verstehen. So, wie sich Metall verhärtet, wenn es 
          vom Feuer ins Wasser kommt, so kann sich unter bestimmten Umständen 
          auch der Charakter eines Menschen verhärten.  
        In früheren Kulturen wurde der Schmied 
          verehrt und geachtet, war teilweise sogar einem Gott ähnlich. Denn er 
          konnte mit Feuer umgehen und hartes Material verändern und formen. Heute 
          haben die Menschen viele neue Materialien erfunden. Aber auch heute 
          würde niemand ohne einen Schmied auskommen. Als Beispiele nennt Alexander 
          Schlösser und Nägel.  
        Erfahrungsaustausch mit anderen Schmieden 
           
        Die Schmiede ‚Kortsch' hat Kontakte zu 
          Schmieden in anderen Städten und Staaten. Zum Beispiel nach Moskau, 
          Samara, Ungarn und sogar in die USA. Unter anderem hat es schon gegenseitige 
          Besuche mit der Schmiede in Missouri (USA) gegeben. Die Mitarbeiter 
          von ‚Kortsch' waren bereits drei Mal dort.  
        Von: Martin Schäfer, 25 Jahre, Student der Politikwissenschaft 
          an der Uni Leipzig In: Unabhängige Wochenzeitung der Rußlanddeutschen 
          "Rundschau" (Uljanowsk) 
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